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Demonstration gegen Abschiebungen am Düsseldorfer Flughafen

22. Juli 2012

Gestern am späten Vormittag schwang ich mich auf mein Rad. Dieses Mal nicht, um gemütlich am Rhein entlang zu fahren, wie ich es ab und zu am Wochenende mache. Nein, es ging zum Flughafen. Dort fand eine Demonstration gegen Abschiebungen statt. In diesem Fall wurde insbesondere gegen jene nach Serbien, Kosovo und Nigeria protestiert. Außerdem im Mittelpunkt der Kritik: Die Fluggesellschaft Air Berlin, die mit Abschiebeflügen aus Düsseldorf Geld verdient.

Insgesamt nahmen an der gestrigen Demonstration zwischen 600 und 1000 Personen teil, die Zahlen variieren wie so oft. Die grün bekleideten Angestellten und Beamten waren jedenfalls wohl kaum in der Minderheit. Ich persönlich nahm an der Veranstaltung teil, weil ich Abschiebungen grundsätzlich ablehne und auch um mich ein bisschen weiter zu informieren. Ich habe schon viele Geschichten gelesen und Reportagen gesehen über Menschen, die skrupellos aus Deutschland abgeschoben wurden und deren Leben man praktisch systematisch zerstört hat. Ich tue es sonst nie, aber an dieser Stelle möchte ich doch einmal meine Kernaussage klar kenntlich machen: Kein Mensch auf dieser Welt hat eine von mir anerkannte Legitimation einer anderen Person vorzuschreiben, wo diese zu leben hat und wo nicht. Kein Mensch. Das wird die Leute, die Abschiebungen durchführen, herzlich wenig interessieren, aber mir ist dieser Satz trotzdem sehr wichtig.

Vor allem wenn ich die Geschichten von Kindern höre, die in Deutschland geboren wurden, die hiesige Sprache sprechen, teilweise sehr gut integriert sind und die mitunter in Länder abgeschoben werden, die sie überhaupt nicht kennen, wird mir schlecht. Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld zu reißen und beispielsweise in die Republik Kosovo abzuschieben, obwohl diese nur wenig oder gar nicht Serbisch und Albanisch sprechen und sie in ein Land zu verfrachten, wo sie oftmals ein Leben mit wenig hoffnungsvollen Perspektiven erwartet, ist nicht nur ein Skandal. Für mich ist es ein Verbrechen. Die Würde des Menschen ist mitunter sehr antastbar in diesem Land, wenn man den falschen Ausweis mit sich herum trägt. Ein Stück Papier, auf dem die falschen Buchstaben stehen und schon kann ein ganzes Leben zerstört werden. Dramatisch ausgedrückt, aber dennoch die Wahrheit.

So wie die vielzitierten Grenzen in unseren Köpfen manchmal unüberwindbar scheinen, mindestens so sehr sind es jene zwischen unseren Staaten für eine große Zahl von Menschen. Das eine merken viele nicht einmal, das andere will man lieber nicht sehen. Ich zweifele an vielen Dingen, aber am Zweifel nicht. Warum der scheinbar in vielen Menschen bezüglich dieser Thematik nicht besonders ausgeprägt ist, weiß ich persönlich nicht, aber ich denke, die Mehrheit will sich hiermit einfach nicht auseinandersetzen. Wenn von hier Personen abgeschoben werden, wird das irgendwie schon seine Richtigkeit haben, ist sehr wahrscheinlich eine verbreitete Annahme. Eine beängstigende Obrigkeitshörigkeit. „Ach die Linken demonstrieren schon wieder gegen irgendetwas“, sagte gestern ein Mann, der offensichtlich gerade mit seiner Familie aus dem Urlaub wiederkam, im Aufzug.

Wenn ich in einem solchen Zusammenhang abwertend von „den Linken“ höre, amüsiere ich mich immer, anstatt mich zu ärgern. Da setzen sich Menschen schlichtweg für andere Menschen ein. Wenn das an sich „links“ ist, dann kann daraus keine halbwegs intelligente Person etwas Negatives kreieren. Für mich ist ein derartiges Engagement einfach human und in vielen Fällen ist nicht einmal eine solche Einstellung nötig, denn oft sind Abschiebungen schlichtweg einfach schon in sich unlogisch. Auch sollten sich Kritiker wie der Mann aus dem Fahrstuhl einmal fragen, ob Demonstranten sich nicht auch vorstellen könnten, etwas anderes zu machen als an einem Samstag stundenlang bei nicht schlechtem Wetter am Düsseldorfer Flughafen rumzustehen. Man hätte sich beispielsweise mit einem Buch oder ein paar Freunden und einem Bier gemütlich an den Rhein setzen können. Die Alternative wäre für die meisten wohl keine undenkbare Vorstellung gewesen.

Die Demonstration lief übrigens trotz viele nerviger Restriktionen absolut friedlich ab. Leider wird so etwas in der Presse höchstens in einem Nebensatz erwähnt. Hätte sich eine nur minimale Zahl der Teilnehmer nicht wie erhofft verhalten, so würde man davon heute ziemlich viel hören und sehen. Die Beschränkungen beinhalteten zum Beispiel, dass Redebeiträge sofort unterbrochen werden mussten, wenn eine offizielle Ansage des Flughafen über die Lautsprecher vorgetragen wurde. Frei bewegen durfte man sich als Demonstrationsteilnehmer auch nicht überall, was für einige Verwirrungen sorgte, da Reisende, Abholer und sonstige Besucher von Demonstranten selbstverständlich nicht immer gleich auf den ersten Blick zu unterscheiden sind.

Gelernt habe ich gestern verschiedene Dinge. Über die Praktiken von Frontex beispielsweise. Einer Organisation, die vielen Menschen wahrscheinlich gar nichts sagt und über die ich auch noch einiges nachlesen möchte. Außerdem habe ich gelernt, dass es ungemein schwierig ist, mehr als zwei deutsche Sätze in Folge ins Englische zu übersetzen und die in einem riesigen Gebäude vorzutragen, selbst wenn ich beide Sprachen doch insgesamt ziemlich gut beherrsche. Als ich gestern das Mikro spontan in die Hand gedrückt bekam, um einen von einer jungen Damen ins Deutsche übersetzen Beitrag Stück für Stück auf Englisch vorzutragen, war ich zu gelähmt um mich zu wehren. Ich verzichtete sogar auf jegliches „damn“, „fuck“ oder „fucking“, wie mir im Nachhinein erst auffiel. Normalerweise eher untypisch für mich. Ich hatte das zwar auch noch nie zuvor gemacht, aber wirklich gut habe ich mich insgesamt trotzdem nicht angestellt.

Die Dame, die anschließend „nur“ den Redebeitrag eines Afrikaner aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen musste, war allerdings auch nicht besser. Teilweise eher im Gegenteil, aber insgesamt kamen die wichtigsten Informationen bei den Zuhörern an, denke ich und das zählt letzten Endes. Freiwillig werde ich mich zu so einer Aktionen aber nicht noch einmal spontan überreden lassen. Irgendwie ist ein Stift oder die Tastatur in meinen Händen auch einfach besser aufgehoben als ein Mikrofon. Großen Respekt habe ich nun vor allen Dolmetschern, die einen guten Job machen. Am Ende zählt für mich aber auf jeden Fall auch mit diesem Bericht einen kleinen Beitrag geleistet zu haben, um mehr Menschen über dieses Thema ein wenig zu informieren. Eventuell denkt auch der ein oder andere Leser oder die ein oder andere Leserin demnächst darüber nach, ob sie oder er für den anstehenden Flug in den Urlaub nicht eine etwas anständigere Airline als Air Berlin findet.

No border! No nation! No deportation!

Im Dezember schrieb ich diesen Artikel über den abgeschobenen Asylbewerber Wadim:

17 Kommentare
  1. keineairbagsfürdiecsu permalink

    Ich finde es gut, dass wenigstens ein paar Hundert Menschen da waren. Ich wäre auch gekommen, wenn ich in der Nähe wohnen würde. Gibt´s Fotos von Deinem Auftritt? 😉 An den Rhein hätte ich dann gerne im Anschluss gesetzt.

  2. Wenn es Infos zu Frontex braucht, die habe ich alle und seit Jahren. Mail reicht.

    Kleine Geschichte dazu, wie es auch gehen kann.
    Ich fliege von einem spanischen Flughafen ab, Zielflughafen eine andere spanische Stadt. Der Bus fährt sehr weit raus, ungewöhnlich weit. Die Maschine steht ganz am Ende der Rollbahnen, weit weg.

    Wir besteigen das Flugzeug, setzen uns, schnallen uns an. Ganz hinten sind etwa 40 Plätze frei.

    Dann warten wir, lange. sehr lange. Als einige ungeduldig fragen, was denn los sei: „Äh … da kommt noch eine Reisegruppe …“

    Deutlich später die Reisegruppe: Zehn Polizisten und etwa 25 Ausländer in Handschellen, die abgeschoben werden sollen.

    Es gab keine verbale Absprache im Flugzeug zwischen den Passagieren. Plötzlich lösten wir alle den Sitzgurt und standen auf.

    „Bitte, setzen sie sich hin und schnallen Sie sich an, wir starten jetzt“

    NIemand setzte sich. Wortwechsel. Mehr Wortwechsel. Wer sich nicht hinsetzen will, soll das Flugzeug verlassen. Keiner geht. Niemand setzt sich.

    Ganz am Ende musste die „Reisegruppe“ die Maschine verlassen, weil man keine andere Möglichkeit fand. Dann startete die Maschine.

    • Schöne Geschichte. Normalerweise (zumindest hierzulande) sitzen die „Reisegruppen“ schon in der Maschine, bevor der Rest einsteigt.

      Habe schon ein wenig über Frontex nachgelesen, aber wenn es etwas Interessantes gibt, dann gerne hier posten oder an die E-Mail Adresse unter „About“.

  3. ribi permalink

    King: vielleicht hätte man mr. moral uhu unter hausarrest stellen müssen, der kann eh nur fordern, sorry!

  4. ribi permalink

    king: ich habe ein problem mit uhu, der schließt aus, diskutiert nicht! hausarrest war aber übers ziel hinaus!

    • Ehrlich gesagt möchte ich auch nicht so viele Kommentare lesen und beantworten müssen, wie es dort der Fall ist.

  5. ribi permalink

    king: habe ich ein forum, muss ich auch akzeptieren, dass es andere meinungen gibt, moralisieren, wie er und seine jünger es alleine machne, hilft nicht, zumal er nur das bandbreitenmodell von gastmann als alternative akzeptiert!

    • Bis zu einem bestimmten Punkt muss man das sicher, keine Frage. Ich weiß allerdings nicht genau, wie die Situation war. Von daher kann ich das nicht wirklich beurteilen.

  6. ribi permalink

    king: ist ja auch egal!

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