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Der Fall Amazon: Ist Ihnen egal?

15. Februar 2013

Amazon

Mit diesem Thema bin ich heute etwas spät? Stimmt grundsätzlich, ist aber in dem Fall gar nicht schlimm. Im Gegenteil sogar. Ich fände es äußerst schade, wenn hierüber schon drei, vier Tage nach der Ausstrahlung so gut wie nicht mehr gesprochen wird. 

Der eine oder die andere wird die interessante, traurige, aber vor allem sehenswerte ARD-Doku „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ am Mittwochabend nicht geschaut haben und das hoffentlich in den nächsten Tagen nachholen. Es empfiehlt sich auch durchaus, das bereits zu tun, bevor Sie hier weiter lesen. Sollte man Kunde von Amazon sein, empfiehlt es sich natürlich noch mehr, die knapp 30 Minuten zu opfern.

Große Empörung, aber nicht bei jedem

Insgesamt war die Empörung über die teilweise menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei Amazon ziemlich groß. Es gab aber natürlich auch wieder einmal eine gehörige Anzahl von Schlaumeiern, die bei Facebook, Twitter und sonst wo irgendeinen Dreck schrieben. So etwas nach dem Motto, „das machen doch alle so“ und eigentlich sei nur die Politik für solche Zustände verantwortlich und beim nächsten guten Angebot würde man doch eh wieder da bestellen.

Ich nicht. Ich habe schon seit Weihnachten 2011 nichts mehr bei Amazon bestellt. Es war schon länger bekannt, dass die Arbeitsbedingungen und Löhne dort teilweise sehr schlecht sind. Von diesem Ausmaß ahnte ich aber natürlich auch nichts. Zurück zur Schuldfrage: Natürlich trägt die Politik eine große Mitschuld und auch unkritische, schnäppchengeile, ignorante, egoistische Kunden. Die Hauptschuld liegt aber selbstverständlich bei Amazon. Etwas Anderes zu behaupten, ist mehr als absurd.

Geiz ist scheiße

Wenn ich mir eine Pistole besorge und jemanden damit erschieße, bin ich nach dieser Logik sonst auch nicht schuld, sondern der Waffenhersteller. Es zeigt sich in diesem Fall ansonsten auch wieder einmal, das Geiz eben nicht geil ist, Geiz ist scheiße. Jedenfalls immer, wenn Umwelt und/oder andere Menschen unter diesem Geiz leiden und das ist leider häufig der Fall. Wissen Sie was geil ist? Geil ist, wenn Menschen, die dafür verantwortlich sind, dass Sie ihre Bücher, DVDs etc. bekommen, genauso anständig bezahlt und behandelt werden, wie Sie es von Ihrem Arbeitgeber erwarten.

Geil? Eigentlich müsste so etwas selbstverständlich sein, ist es aber lange schon nicht mehr. Ich frage mich, wie sich Gerhard Schröder, Peter Hartz und Co. fühlen, wenn sie eine arbeitslose spanische Lehrerin im TV sehen, die drei Kinder hat und in Deutschland in einer anonymen Fabrikhalle Pakete zusammenstellt. Genauso scheiße wie Geiz, ist Leiharbeit. Wie absurd es zuzüglich ist, dass eine Akademikerin einen Job macht, der eigentlich für jemanden ohne Schulabschluss und Ausbildung viel passender wäre, muss ich nicht noch in einem ganzen Absatz herausstellen, oder?

Sie tragen eine Verantwortung

Letzten Endes haben alle Kunden eine Verantwortung. Ob Sie die wahrnehmen wollen oder nicht, das ist Ihre Sache. Wenn es Ihnen egal ist, dann ist es Ihnen egal. Das kann ich nicht ändern, aber rechtfertigen Sie sich bitte nicht mit irgendwelchen beschissenen Ausreden und Lügen. Niemand muss bei Amazon bestellen. Noch viel weniger als das jemand gezwungen ist, Ausbeutungskleidung bei den bekannten Kaufhäusern und Discountern zu kaufen.

Die Allianz zwischen Politik und Wirtschaft hat weitestgehend kein Interesse daran, diese Zustände zu ändern, auch wenn uns die erste Gruppe gerne etwas Anderes erzählt. Das sollte jedem bewusst sein. Man kann nicht alles boykottieren, höre ich in einem Kontext wie diesem auch häufig. Ich finde, man kann noch viel weniger solche Zustände ignorieren und gleichgültig dort weiter kaufen, wo moderner Sklavenhandel betrieben wird.

Es geht auch anders

Natürlich ist es zeitlich kaum möglich, jedes Produkt, was wir konsumieren, auf ökologische und soziale Charakteristiken zu überprüfen. Wenn man aber von Konzernen ganz genau weiß, dass diese beiden Punkte für sie keine Rolle spielen, dann findet man auch einen Weg, um sie nicht zu bereichern. Man muss es nur wollen und Ihre Lebensqualität nimmt sicher nicht ab, wenn Sie doch mal wieder in einen Buchladen gehen. Sie können sich gegebenenfalls dort auch gleich mit Literatur für die nächsten Monate eindecken, wenn Sie sonst so wenig Zeit haben.

Ja, ich weiß, dass es bequem ist, online zu bestellen. Vor allem,  sofern man auch noch zuhause ist, wenn das Paket ankommt oder die Nachbarin es für einen in Empfang nimmt. Kenn ich. Vielleicht finden Sie aber im Internet irgendwo Shops, die weniger skrupellos mit ihrem Personal umgehen. Eventuell haben Sie ja sogar auch noch ein paar kleine Läden in der Nähe, in dem der Chef selbst hinter der Theke steht und zudem seine ein, zwei Mitarbeiter anständig bezahlt. Manche wissen das wahrscheinlich gar nicht mehr.

From → Allgemein, Film + TV

5 Kommentare
  1. Brigitte permalink

    Ich werde auf keinen Fall mehr bei Amazon bestellen. Die ARD-Doko hat mich fassungslos gemacht, wie man mit Leiharbeitern umgeht. Amazon dementiert selbstverständlich, was bleibt denen auch übrig. Es ist eine Schande für dieses Land, daß man solche Machenschaften hier zuläßt, die schon länger unter anderem auch dem Jobcenter bekannt sind.

  2. garlic221 permalink

    Oh Holde, als ob es nur Amazon ist der seine für sich arbeitenden Menschen wie Vieh behandelt. Das Vieh macht es ja auch mit und lässt sich anscheinend gerne melken. Muss das Vieh doch stets Unterhaltungselektronic konsumieren, Markenklamotten die noch billigeres Vieh für ein paar Euronakis herstell …und so weiter und so fort. Ach, sehr oft steht dann bei diesem Vieh der größte Flatscreen und in der Tasche brummt das immer größer werdende I-Phone. Bin ich zu kritisch, beschämt Euch meine Wortwahl? Das tut mir leid.

    • Habe nie behauptet, dass es nur Amazon ist, oder? Sollte man sich jetzt nicht über dieses Thema aufregen, weil andere ähnlich beschissen handeln? Ich habe übrigens weder Markenklamotten noch iphone. Und selbst ? 😉

  3. Danke für deine Ideen. Ich habe meine Gedanken zur Amazon-Debatte in meinen Blog geschrieben: http://wp.me/p2YCuY-hB

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